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Kinderwunsch-Teufelskreis

Wie biologische, familiäre und soziale Faktoren beim Thema Kinderwunsch zusammenspielen können

Ein unerfüllter #Kinderwunsch hat selten nur eine einzige Ursache. In der Regel haben verschiedene Faktoren Einfluss auf die #Fertilität, die sich schnell zu einem #Teufelskreis entwickeln können, aus dem man nur schwer wieder herauskommt.


Dabei sind insbesondere biologische, familiäre und soziale Faktoren interessant zu betrachten.


Biologische Faktoren


Biologische Ursachen werden im Rahmen der #Kinderwunschbehandlung meist weitestgehend abgeklärt. Zu den häufigsten Ursachen zählen:


Bei der Frau:

  • Hormonstörungen

  • PCO-Syndrom

  • Eileiterverschluss (z.B. durch frühere Infektionen oder Operationen)

  • Myome

  • Genetische Ursachen (z.B. AGS)

  • Frühzeitiges Einsetzen der Wechseljahre

  • Endometriose

  • Fehlbildungen der Gebärmutter

  • Polypen

  • Lebensstil (Ernährung, Drogen, Medikamente, exzessiver Sport, chronische Stressoren)

  • Alter

Beim Mann:

  • Verringerte Spermienqualität

  • Infektionen

  • Krampfandern an den Hoden

  • Hodenhochstand als Kind

  • Gestörter Spermientransport

  • Hormonstörungen

  • Genetische Ursachen

  • Erektionsstörung

  • Chemotherapie & Bestrahlung

  • Alter

  • Lebensstil

Familiäre Faktoren


Familiäre Faktoren können geschwächte #Bewältigungsstrategien durch biografisch bedingte Belastungen sein. Insbesondere bei Paaren, die in der Kindheit oder Jugend belastende oder traumatische Erlebnisse hatten, kann der Kinderwunsch mit einem (unbewussten) Wunsch nach Wiedergutmachung verknüpft sein. Ein Kind kann einem Paar eine neue Identität schenken (eine "richtige" Familie) und verändert häufig auch die Beziehung zur Herkunftsfamilie also z.B. den eigenen Eltern. Es besteht häufig der Wunsch, "es besser machen zu wollen" manchmal geht es aber auch darum, sich durch ein eigenes Kind aus der eigenen Kinderrolle im Elternhaus zu lösen.


Soziale Faktoren


Soziale Faktoren, von denen sich Paare bzw. Frauen und Männer mit unerfülltem Kind unter Druck gesetzt fühlen, können dadurch entstehen, dass #Kinderkriegen im sozialen Umfeld als vorherrschendes Ideal gesehen wird. Belasten kann auch die Meinung, dass ein Kind der Nachweis für eine intakte Beziehung und Sexualität ist, was oft auch mit dem Erleben von #Männlichkeit und #Weiblichkeit verknüpft ist. Häufig wird im Umfeld auch die Erfolgswahrscheinlichkeit der Reproduktionsmedizin überschätzt "wer will und genug investiert, kann auch ein eigenes Kind bekommen".


So entsteht der Teufelskreis


Wenn ein Paar sich dazu entschließt eine Familie zu gründen, die Schwangerschaft jedoch auf sich warten lässt, kann dies zu einem massivem Gefühl von #Kontrollverlust, #Ohnmacht, #Hilflosigkeits- und #Abhängigkeitsgefühl führen. Diese Gefühle sind umso intensiver, je bedeutsamer zuvor die Planbarkeit der Familiengründung war: "Erst heiraten wir, dann kaufen wir uns ein Haus, dann bekommen wir ein Kind". Die Konfrontation mit den Grenzen der eigenen Kontrolle und Machbarkeit können die Paarbeziehung stark schwächen. Je länger das Erleben des unerfüllten Kinderwunsches andauert, umso stärker können Neid- und Kränkungsgefühle werden, mit denen häufig auch ein Schuldempfinden einher geht. Dies wiederum kann das #Selbstwertgefühl reduzieren. Man fühlt sich weniger zugehörig und zieht sich vermehrt aus dem sozialen Umfeld zurück. Hierdurch verringern sich jedoch die Möglichkeiten mit anderen über das Thema zu sprechen, einen distanzierteren Blick zu bekommen und neue Perspektiven zu erkennen. Die Isolation kann die Paarbeziehung stark belasten, was sich dann wiederum in einem gestörten Sexualleben zeigen kann.

Teufelskreis bei unerfülltem Kinderwunsch
Biopsychosoziales Stress-Modell bei unerfülltem Kinderwunsch [1]

Gesteigertes Stresserleben & Fertilitätsprobleme


Dieses sich kumulierende Stresserleben kann sich über körperliche oder psychische Reaktionen also wiederum negativ auf die Fertilität auswirken [2]. Denn Stress hat eine starke Auswirkung auf unser Hormon- und Nervensystem. #Stress ist zwar zunächst mal eine natürliche und auch erstmal positive Reaktion des Körpers zur Bewältigung von Belastungssituationen. Über eine Aktivierungskette, die vom Hypothalamus, über die Hirnanhangsdrüse bis zu den Nebennieren reicht (sog. Stressachse), bewirkt er die Freisetzung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus der Nebennierenrinde ins Blut. Diese #Hormone helfen dem Körper, den gesamten Organismus auf „Angriff“ oder „Flucht“ einzustellen und Höchstleistungen zu erbringen: so steigen Blutzuckerspiegel und Blutdruck, und alle Sinne sind aktiviert. Chronischer, langanhaltender Stress ohne ausreichende Entspannung führt hingegen zu einer Überlastung des Organismus. Gleichzeitig stören die hohen Stresshormone die Regulierung anderer Hormonsysteme im Körper. So hat die chronische Aktivierung der #Stressachse eine hemmende Wirkung auf die Produktion der Geschlechtshormone #Östrogen und #Testosteron. Die Folge: sexuelle Unlust bei Mann und Frau. Frauen leiden zudem unter #Zyklusstörungen bis hin zum unerfüllten Kinderwunsch [3].


Raus aus dem Teufelskreis


Aus diesem Teufelskreis scheint also nur die moderne #Reproduktionsmedizin helfen zu können, die ja schon seit Jahrzehnten Sexualität und Fortpflanzung entkoppelt. Es lassen sich aber auch Kontroll- und Ohnmachtsgefühle transformieren und so neue Perspektiven in den einzelnen Bereichen erarbeiten. So können z.B. ein fertilitätsorientierter Lebenswandel (gesündere Ernährung, Verzicht auf Genussmittel, Stress auf der Arbeit reduzieren, usw.), das Erkennen eigener Belastungsgrenzen, die Entwicklung von #Selbstschutzstrategien und neuer Verhaltensweisen gegenüber dem Umfeld und der Herkunftsfamilie gehören.


Quellen:

  • H. Stammer, R. Verres, T. Wischmann (2004). Paarberatung und -therapie bei unerfülltem Kinderwunsch, S. 40f.

  • [1] Angelehnt an: H. Stammer, T. Wischmann & R. Verres (1998). Paartherapie bei unerfülltem Kinderwunsch. Familiendynamik, 3, S. 232-251

  • [2] C. Maier-Kirstätter & S. Ditz (1994). Psychosomatische Aspekte bei Diagnostik und Therapie der Sterilität. In B. Runnebaum & T. Rabe (Hrsg.), Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin, S. 189-207

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